
„Atmosphäre der Angst“: Die Universität Potsdam hält es für erwiesen, dass der bisherige Rektor der Rabbinerschule sein Amt missbraucht hat. Der Angeklagte verteidigt sich – und wieder im Büro des Professors.
Die Universität Potsdam hält den Vorwurf des Machtmissbrauchs am Abraham-Geiger-Kolleg nach Prüfung durch die Kommission für bestätigt, nicht aber die Duldung sexueller Belästigung.
Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs richtet sich gegen den Gründer und bisherigen Rektor der Hochschule, Walter Homolka. Die Universität hat angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen und die Struktur der School of Jewish Theology des Instituts zu ändern. Homolka, der auf seine Position als Professor zurückkehrte, bestritt die Vorwürfe. Universitätsinstitut und Freie Hochschule sind miteinander verbunden – an beiden studieren künftige Rabbiner gleichzeitig.
In ihrem 16-seitigen Bericht über die School of Jewish Theology kam die fünfköpfige Untersuchungskommission der Universität zu einem vorläufigen Ergebnis: „Gegen Professor Homolka werden Vorwürfe des Machtmissbrauchs durch Hortung von Ämtern, Schaffung problematischer Studien- und Arbeitsverhältnisse und Beeinträchtigung der Karriere erhoben bisher bestätigt.” .
Sie sagen, Homolka habe nichts von der sexuellen Belästigung gewusst
Die Kommission sprach mit 20 Personen, plus 11 Einzelinterviews. Dem Bericht zufolge sagten viele der Befragten, Herr Homolka habe eine “Atmosphäre der Angst” geschaffen.
Vorwürfe, er habe sexuelle Belästigung durch einen College-Professor toleriert, haben sich nicht bestätigt. „Der Verdacht, dass Herr Homolka davon gewusst hat, lässt sich nicht bestätigen“, sagte die Leiterin der Kommission, die zentrale Mitarbeiterin der Universität für Chancengleichheit, Christina Wolf. Die Kommission berücksichtigte das Verhalten des Lehrers nicht.
Der bisherige Rektor von Homolka hält die Vorwürfe für nicht berechtigt. „Mir geht es vor allem darum, gegen falsche Anschuldigungen des Machtmissbrauchs und der sexuellen Belästigung entschieden vorzugehen und deren Verbot zu fordern“, sagte er der Wochenzeitung „Die Zeit“.
„Ja, ich war der Boss und hatte die Macht. Aber Machtgebrauch ist noch kein Machtmissbrauch.” Er ist kein Vertuschungs- oder Belästiger. Homolka spricht über Rufmord und eine Kampagne, um ihm Schaden zuzufügen.
Der beschuldigte Dozent arbeitet nicht mehr an der Universität
Im Mai wurden in einem Welt-Bericht Vorwürfe sexueller Belästigung durch einen Lehrer des Geiger College publik. Vorwürfe der Universität gab es schon zuvor. Das Management räumte daraufhin ein, dass der Mitarbeiter bereits im Dezember 2020 und erneut im Februar 2022 angeklagt worden war. Das Arbeitsverhältnis mit der Lehrerin endete Ende Februar. Wie die Universität mitteilt, wurde die Zusendung des Bildmaterials bestätigt.
Es gab auch Vorwürfe des Machtmissbrauchs. Homolka trat nach Bekanntwerden der Vorwürfe von seinem Posten zurück. Er war geschäftsführender Direktor des Abraham Geiger College of Liberal Judaism und des Zacharias Frankel College of Conservative Judaism sowie stellvertretender Direktor der School of Jewish Theology der Universität und Vorsitzender der Leo Beck Foundation. Gleichzeitig ließ der Zentralrat der Juden in Deutschland die Vorwürfe von einer Anwaltskanzlei prüfen.
Homolka kehrte in den Dienst eines Professors an der Universität zurück. „Soweit wir dem ersten Blick auf den Bericht entnehmen können, gibt es keine straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen und damit auch keine öffentlich-rechtlichen Konsequenzen“, sagte Präsident Oliver Günther. Die Universität sieht keinen Anlass für disziplinarische Maßnahmen.
Universität: „Jüdische Theologie in Deutschland retten“
Nachdem klar war, dass es für Beamte keine rechtlichen Konsequenzen geben würde, kehrte Homolka zum 1. Oktober auf seinen Posten als Hochschullehrer zurück. Urlaub ist vorbei. Im Wintersemester hat er allerdings ein Forschungssemester.
Die Universität will Konsequenzen ziehen. „Unser aller Ziel ist es, die jüdische Theologie in Deutschland zu retten“, sagte Günther. Strukturen müssen ersetzt oder modifiziert werden. Die Führungsrolle von Professor Homolka in der School of Jewish Theology sollte abgeschafft werden, es sollte mehr Transparenz geben. „Wir mussten alle genauer hinschauen“, sagte Günther.
An der Hochschule selbst wird an einer Neustrukturierung gearbeitet, so kündigte Interims-Rektorin Gabriele Tione am Mittwoch an: „Wir befürworten die Umwandlung des Abraham-Geiger-Kollegs in eine eigenständige Lehrstiftung.“
Die Kommission berücksichtigte auch Äußerungen zu wissenschaftlichen Verstößen – zum Beispiel Homolkas Dissertation. Laut Gunter konnte das Komitee die Vorwürfe nicht endgültig untersuchen; nun liegt es an der kommission der universität, den vorwürfen wissenschaftlichen fehlverhaltens nachzugehen.
Träger und Förderer des Geigerkollegs sind das Bundesministerium für Bildung, die Kultusministerkonferenz, das Land Brandenburg und der Zentralrat der Deutschen Juden. 2015 erhielt Homolka das Bundesverdienstkreuz für seine Verdienste um die Rabbinerausbildung in Deutschland. (dpa)