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Der türkische Geheimdienst MIT spioniert türkischstämmige Menschen in Deutschland aus. In einem Fall taucht das Generalkonsulat der Türkei in Düsseldorf auf.
Grevenbroich – Das ist ein Skandal, der Parallelen zu dem hat, was nach dem Putschversuch in der Türkei 2016 passiert ist. Damals sammelten vor allem die Imame der Ditib-Moscheen für den türkischen Geheimdienst MIT Informationen über mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung. Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIEN stieß nun auf einen ähnlichen Spionagefall in Deutschland, in dem auch das Generalkonsulat der Türkei in Düsseldorf auftaucht. Der türkischen Auslandsvertretung liegen Hinweise eines ehemaligen Mitarbeiters eines Sicherheitsunternehmens vor, der als Sicherheitsbeauftragter in einem Flüchtlingsheim im nordrhein-westfälischen Grevenbroich gearbeitet haben soll.
Dies gilt für vom türkischen Außenministerium und vom Innenministerium als „geheim“ (türkisch: gizli) eingestufte Dokumente. Dort sind die Namen von sieben Männern und einer Frau aufgeführt. „Unterlagen, die uns von unserem Generalkonsulat in Düsseldorf zugesandt wurden und die sich auf ein Interview mit unserem Bürger A. beziehen, zeigen, dass er die Namen von Personen mit Verbindungen zur FETÖ preisgeben will“, heißt es in dem Bericht. Das Dokument steht unseren Redakteuren zur Verfügung. „FETÖ“ steht für „Fethullahsche Terrororganisation“. Nach dem Putschversuch machte Präsident Recep Tayyip Erdogan die Bewegung um den islamischen Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich und stufte sie als Terrororganisation ein.
Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma spionieren Schutzsuchende in der Türkei aus
Dem Dokument zufolge hat der Türke A. nicht nur in Grevenbroich, sondern auch in Romerskirchen und Dormagen Personen ausfindig gemacht, denen er Verbindungen zur FETÖ vorwirft. Neben den türkischen Ausweisnummern werden auch die Adressen und manchmal auch die Telefonnummern der Ausspionierten aufgelistet.
Die Nachricht des türkischen Generalkonsulats wurde an die Anti-Terror-Polizei “TEM” weitergeleitet, die auch einen Bericht über die ausspionierten Personen verfasste. Es ist als „vertraulich“ eingestuft und steht unseren Redakteuren zur Verfügung. TEM schreibt, dass man die Daten unter anderem auch mit anderen Polizeidienststellen abgeglichen habe.
Der angegebene A. wollte sich weder zu den Dokumenten noch zum Fall selbst äußern.
MIT beutet türkischstämmige Menschen in Deutschland aus
„Es ist durchaus möglich, dass die türkischen Geheimdienstagenten des MIT, die in den türkischen Generalkonsulaten arbeiten, Leute wie A verwenden würden. Es scheint also, dass einige der Namen zumindest vom MIT vorab identifiziert und auf die Liste gesetzt wurden.“ – vermutet Dr. Yasar Demircioglu, ein türkischer Verfassungsrechtler und Rechtsberater von Human Rights Defenders, floh wie viele andere Wissenschaftler nach einem Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016. Ehemalige türkische Diplomaten bestätigten zuvor, dass Mitarbeiter türkischer Botschaften im Ausland MIT Informationen über Regierungskritiker sammeln.
Zuvor hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wiederholt vor den Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes MIT gewarnt. „Die Ermittlungsinteressen der türkischen Geheimdienste und Sicherheitsbehörden in Deutschland erstrecken sich grundsätzlich auf alle Organisationen und Personen, die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition gegen die derzeitige türkische Regierung stehen. Ihre Hauptziele sind die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und die Gülen-Bewegung“, schrieb das BfV in seinem Bericht 2021.
Die Figur reicht ein Strafverfahren wegen Spionage ein
Mindestens eines der Opfer erstattete bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Strafanzeige wegen Spionage. Darin wirft er A. und den Mitarbeitern des Generalkonsulats der Türkei in Düsseldorf vor, Agenten von Sonderdiensten (§ 99 StGB) und des politischen Verdachts (§ 241a StGB) zu sein. Darüber hinaus wirft der Kläger der Türkei vor, die UN-Konvention über diplomatische Kommunikation von 1961 verletzt zu haben, indem sie Erdogan-Kritiker in Deutschland ausspähte.
Der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Bundestagsfraktion Gökai Akbulut (Linke) zeigte sich im Gespräch mit unserer Redaktion empört über diesen Vorfall. „Wenn es stimmt, dass ein Sicherheitsbeamter in einer Flüchtlingsunterkunft Oppositionelle aus der Türkei ausspioniert und für türkische Auslandsvertretungen arbeitet, wäre das eine ungeheuerliche Entwicklung. Die Bundesregierung sollte auf diese Zeichen achten und der türkischen Regierung klare Grenzen setzen.” Akbulut fordert das Eingreifen der Justiz und der Sicherheitsbehörden. „Es kann nicht sein, dass die Flüchtlinge aus der Türkei auch hier nicht vor Erdogans langem Arm sicher sind. Daher müssen alle Whistleblower-Aktivitäten in der Türkei gestoppt und die Täter vor Gericht gestellt werden.“
AKP-Abgeordneter: Vernichtung von Kurden und Gülen-Anhängern
Der Vorfall kam nicht überraschend. Zuletzt sagte der AKP-Abgeordnete Mustafa Achikgez in einer Hassrede in der Neusser Moschee der Grauen Wölfe, egal wohin auf der Welt sie flüchten, Anhänger der PKK und der Gülen-Bewegung würden ausgerottet. Du willst sie aus den Höhlen ziehen, in die sie geraten sind. Der Fall führte zu einem diplomatischen Streit. Deshalb wurde der türkische Botschafter ins Außenministerium einbestellt. Hass und Hetze hätten in Deutschland nichts zu suchen, wurde dem Vertreter der Türkei dort mitgeteilt. (Erkan Pehlivan)