
Wer die Eishalle in Oberstdorf betritt, wird schon nach wenigen Metern in den Schaufenstern mit der Vergangenheit konfrontiert: mit Bildern von Norbert Schramm auf Schlittschuhen, mit Plakaten der Tanzlegenden Tourville/Dean oder dem goldenen Paar Savchenko/Masot, etlichen anderen Bildern Einige sind weniger gelb. Die glamourösen Tage des Skatens sind schon eine Weile her. Das bedeutet nicht, dass es keine Zeitzeugen gibt. Die Oberstdorferin Nicole Schott beispielsweise kann sich gut an ihre erste Meisterschaft erinnern, bei der sie gegen fünfzehn oder gar zwanzig Gegner antrat – nicht drei wie heute. Wer war es? “Ich will es gar nicht wissen”, sagt sie lachend, “ich werde alt.”
Nicole Schott ist 26 Jahre alt. In Lebensbereichen, in denen ein dreifacher Rietberger keine berufliche Voraussetzung ist, gelingt ihm das als junger Hüpfer in diesem Alter problemlos. Im Eiskunstlauf, ihrer Karriere, gewann sie am Wochenende ihren siebten deutschen Titel seit 2012. Seit Ellen Broekheft in den 1920er Jahren sieben Mal im Faltenrock für den Berliner Eislaufverein tanzte, haben im Westen nur wenige Menschen eine solche Kombination aus Konsequenz und Kufenkunst bewiesen. Nicole Schott muss noch ein paar Jahre zulegen, um mit DR-Urgestein Katarina Witt (acht Titel) oder Rekordmeisterin Gabrielle Seifert (zehn Titel) mithalten zu können – aber nicht unmöglich angesichts der Dynamik, die sie mitbringt. Tag
Ihre fünf Jahre jüngere Trainingspartnerin Kristina Issaif hielt sie am Wochenende auf Distanz, obwohl sie nicht ihre volle Bestleistung nutzte: Anders als bei den Olympischen Winterspielen im Februar ließ sie das Triple Medley nicht aus. Er erklärt, dass er und Trainer Michael Huth „dieses Jahr die Deutsche Meisterschaft im Training aufgebaut“ haben, der Wettkampf also nur ein Schritt auf dem Weg zur Europameisterschaft war, die in weniger als zwei Wochen in Espoo startet. In Finnland hat Nicole Schott, die letztes Jahr WM-Zehnte wurde, gute Chancen. Und das, während er im Sommer lange an Komplikationen durch eine Corona-Infektion litt.
Runner Hock/Runner Berlin trainieren jetzt in Bergamo
„Es kann alles passieren“, sagt er heute. Jetzt kann gewinnen, wer den besten Tag hat. Russische Eiskunstläufer sind seit Februar von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen, als Kremlherrscher Putin seinen Truppen befahl, in die Ukraine einzumarschieren. Damit fehlen die Athletinnen aus dem Land, die den Wintersport zuletzt in fast allen Disziplinen dominierten – vor allem bei den Damen Tal und Kralle, wo russische Kinder und Jugendliche im Training zur Höchstform auflaufen und die Konkurrenz in den Schatten stellen. Ältere Menschen wegen ihres körperlichen Vorteils bei Sprüngen. Bei der EM 2022 hatte die Russin um die später wegen Dopings verurteilte Kamila Veleva alle Medaillen gewonnen.
Das russische Verbot hat zu einer radikalen Veränderung im Eiskunstlauf geführt, die fast mit einer Art tektonischer Plattenverschiebung verglichen werden kann. Es scheint, dass der Wettbewerb zwischen den Nationen wiederbelebt wurde.
Nach einem Jahrzehnt im internationalen Geschäft ist nicht nur Nicole Schott der Meinung, dass sich die starre Hierarchie verschiebt, seit die sportpolitische Vormachtstellung der Russen gebrochen ist. Auch die Skatepair-Kollegen sind hochmotiviert. Der Deutsche Eislauf-Verband konnte in seiner Vorzeigedisziplin in den Herbstmonaten bereits beeindruckende Ergebnisse verbuchen, als drei Paare bei den Grand-Prix-Wettkämpfen ihren Weg in die Medaillenränge beschleunigten. In Oberstdorf sind Annika Hocke, 22, und Robert Kunkel, 23, nun erstmals Meister – sie gewannen ein Eisduell gegen ihre jüngeren Rivalen Letizia Roscher/Luis Schuster aus Chemnitz. Paar Nummer drei, Alisa Efimova und Ruben Blumart aus Oberstdorf, waren erkrankt.
Annika Hoke macht sich kommentarlos Gedanken darüber, ob die Sanktionen gegen die Russen richtig sind. Sein Partner Robert Kunkel findet, „die Politik sollte sich nicht auf den Sport auswirken“. “Aber man kann sich auch fragen, warum sollen die Russen bei internationalen Wettkämpfen laufen? Die Ukrainer können auch nicht laufen, weil ihre Eisbahnen bombardiert werden”, sagt er. Er erinnert auch an den Dopingfall Valiewa. Das ist eine Geschichte, an der man, selbst wenn der Krieg vorbei wäre, noch einmal aufarbeiten müsste.
Im Sommer beschlossen Hocke/Kunkel, von Berlin nach Bergamo zu ziehen, um mit anderen europäischen Spitzenpaaren in einem privaten Eislaufzentrum zu trainieren. Eine Geschichte, die Ambitionen weckt, auch im Hinblick auf die EM. „Wir wissen, dass dort etwas möglich ist. Wir müssen in Espoo gut abschneiden, sonst gibt es sowieso keine Medaille“, erklärt Annika Hoke, die in Italien jeden Tag den Eis- oder Ballettwettbewerb im Blick hat.“ Rooz finden beide, „Paarlauf ist ein toller Sport“. Und sie haben es sich, wie Hauck sagt, zur Aufgabe gemacht, „die große Tradition des Paarlaufs in Deutschland fortzuführen“.
Symmetrisch: Jennifer Jans van Rensburg und Benjamin Stephen sichern sich mit einer fantasievollen Kür den zweiten Titel.
(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
Im Gegensatz zum Doppel sind die Traditionslinien im Herreneinzel etwas verschwommen. Wer daran anknüpfen will, muss schon lange einen Vierfachsprung in seinem Programm haben. Daran erinnerte in Oberstdorf kein Geringerer als der zweifache frühere Europameister Norbert Schramm, 62, der am Wochenende im Publikum war. Deutschlands neuer Meister Nikita Starostin, 20, aus Russland, der für den ERVC Westfalen antritt, hat noch einen langen Weg vor sich. Wie der 22-jährige Kai Jagoda aus Berlin, der nach dem Kurzprogramm noch in Führung lag. Beide haben für die Zukunft nur vier Shows geplant.
Jennifer Jans van Rensburg, 29, und Benjamin Stephan, 26, die ihren Titel verteidigten, zeigten in Dancing On Ice, dass auch eine tolle Show die Leute unterhalten kann. Und wer weiß, vielleicht gleiten sie mit ihrem vor, vor und fantasievollen Freestyle „Age of Heroes“ auch in neue Dimensionen. In diesem Winter, wenn Gewissheiten schmelzen und sich die Eisschilde verschieben, ist vieles möglich.